Kennen Sie den Nervenkitzel bevor Sie eine Turnierrunde beginnen? Spielpartner, Starter, nachfolgende Flights, oder sogar Zuschauer verfolgen das Geschehen und scheinen dem ersten Abschlag einen besonderen Stempel aufzudrücken. Dabei sind wir Amateure nicht allein:
Der US-Amerikaner Webb Simpson begann den Ryder Cup 2014 in Gleneagles mit einem unterschlagenen Fairwayholz vom Tee. Simpsons Spielpartner Bubba Watson, sowie seine Gegner aus dem europäischen Team, Justin Rose und Henrik Stenson, schlugen ihre Bälle fast doppelt so lang. Simpson selbst kommentierte seinen Ausrutscher mit einem Lächeln. Eine Reaktion, die man beim Durchschnittsamateur in solch einer Situation so selten findet, dabei können wir so einiges von Webb Simpson in dieser Situation lernen. Der erste Abschlag ist für viele Golfer mit größerem Druck verbunden, als andere Schläge. Ähnlich ist es mit der Nervosität, die oftmals am ersten Abschlag am größten ist. Warum ist das so?
Stellen Sie sich vor, Sie müssten einem Kind erklären, warum im Privat- und Berufsleben erfolgreiche Persönlichkeiten auf einmal ins Schwitzen kommen, wenn Sie über dem ersten Schlag einer Runde stehen. Das Kind würde Sie fragen was passieren würde, wenn der Schlag misslingt und warum diese Konsequenz so schlimm ist, dass sie Nervosität hervorruft. Hier wird Ihre fiktive Erklärung wahrscheinlich ins Stocken kommen, denn was ist die tatsächliche Konsequenz eines misslungenen Schlages?
Wenn wir von einer theoretisch einwandfreien Even Par Runde ausgehen, so ist der erste Abschlag einer von 71 weiteren Schlägen. Statistisch gesehen macht er knapp über 1% der Schläge auf einer solchen Runde aus. Nicht mehr und nicht weniger. Trotzdem scheint es, als ob wir diesem Schlag deutlich mehr Gewicht geben, als nötig. Oft machen wir den Verlauf einer Runde an genau diesem einen Schlag fest und formen Sätze wie:
„Schon wieder nach rechts. Das wird heute nichts.“
Wenn Sie zu solchen Gedanken neigen, erinnern Sie sich an den eben erwähnten Wert von zirka 1%. Wenn Ihr Ball am ersten Abschlag nach rechts fliegt, bedeutet das, dass bis jetzt 1% ihrer Bälle am heutigen Tag nach rechts geflogen ist. Nichts weiter.
Der Faktencheck
Ertappen Sie sich wenn sich dekonstruktive Aussagen oder Gedanken einschleichen und machen Sie den Realitätstest, indem Sie sich fragen, ob Ihre Aussagen oder Gedanken tatsächlich der Realität entsprechen. Sie werden feststellen, dass Sie diese Frage stets mit Nein beantworten können, denn Sie haben erst einen Schlag gespielt und können daher keine Aussage über das Resultat künftiger Schläge tätigen. Nutzen Sie negative Gedanken als Weckruf und bringen Sie den Fokus wieder zurück zu dem, was im Moment wichtig ist – der kommende Schlag.
Verinnerlichen Sie diese Art des Denkens und Sie werden eine neue Sichtweise auf den ersten Abschlag haben. Sobald Sie erkennen, dass ein einziger Schlag nicht mehr oder weniger wichtig ist als alle anderen, erlangen Sie eine neue Form der Lockerheit am ersten Tee. Selbstverständlich hätte sich auch Webb Simpson einen schöneren Schlag an der 1 in Gleneagles gewünscht. Allerdings ist Simpson Profi genug um zu wissen, dass kein Turnier an Loch 1 gewonnen wird.
Der Glaube, dass der erste Abschlag die Runde in eine bestimmte Richtung lenkt, ist ein Irrtum und entstammt der eigenen Vorstellung. Weder gute, noch misslungene Schläge sind ein zuverlässiger Indikator für den Verlauf einer Runde, denn die Zukunft ist leider nicht vorhersehbar. Ziehen Sie daher Freude und positive Energie aus guten Schlägen und nutzen Sie misslungene Schläge, um sich wieder aufzubauen und den Fokus auf den wesentlichen, nächsten Schlag zu richten.
Vernünftig vorbereiten
In den oberen Abschnitten haben wir uns mit dem ersten Abschlag und der damit verbundenen mentalen Einstellung beschäftigt. Nun geht es um die Vorbereitung und um Dinge, die Sie tun können, um zukünftig weniger nervös am ersten Abschlag zu stehen. Eine solche Vorbereitung beginnt mit der rechtzeitigen Ankunft am Golfplatz, sodass Sie Ihr gewünschtes Aufwärmprogramm entspannt durchziehen können und eventuell noch die Zeit für einen Plausch mit einem Freund oder Freundin haben.
Begeben Sie sich zudem zirka 10 Minuten vor dem Start an den Abschlag. Dadurch vermeiden Sie unnötigen Stress. Trinken Sie während Ihrer Vorbereitung ausreichend, um Dehydrierung zu vermeiden. Golf ist ein Einzelsport, dessen Ziel es ist, mit möglichst wenigen Schlägen ins Loch zu kommen. Es gibt keine Bonuspunkte, wenn Sie Ihre Spielpartner mit einem weiten Drive beeindrucken. Greifen Sie am ersten Tee zu einem Schläger, mit dem Sie sich wohlfühlen. Das kann von Tag zu Tag unterschiedlich sein, weshalb Sie Ihr Spiel auf der Driving Range beobachten und mögliche Schläger für den ersten Abschlag abwägen sollten.
Spielsituationen simulieren
Greifen Sie zum Driver, wenn Sie Vertrauen in den Drive haben und sich sicher fühlen. Ist das nicht der Fall, ziehen Sie ein Fairwayholz oder sogar ein Eisen in Betracht. Es gibt keine Bilder auf der Scorekarte. Ein Schläger, dessen Verwendung Sie am heutigen Tag nervös macht, führt oft nicht zum gewünschten Ergebnis. Eine Übung, die Sie im Training, aber auch direkt vor einer Runde als Teil Ihrer Vorbereitung ausführen können, ist das Simulieren von Spielsituationen.
Stellen Sie sich Ihren ersten Abschlag auf der Range vor. Schätzen Sie die ungefähre Breite des Fairways und wählen Sie daraufhin einen Korridor auf der Driving Range, der diese Breite widerspiegelt. Stellen Sie sich nun die erste Bahn so lebhaft als möglich vor und gehen Sie durch Ihre komplette Routine. Wenn Sie möchten, führen Sie vorher 3, 4 Hampelmänner aus, um den Puls, ähnlich wie am ersten Abschlag, ein wenig anzuheben.
Je lebhafter Sie sich die Situation vorstellen, desto vertrauter wird Sie Ihnen am ersten Abschlag vorkommen. Je vertrauter die Situation, desto geringer die Nervosität. Selbstverständlich muss sich diese Übung nicht auf den ersten Abschlag begrenzen. Sie können nach Belieben Situationen oder ganze Löcher durchspielen und Sie werden staunen, wie vertraut Ihnen vieles vorkommen wird.
Wir haben das Thema Nervosität nun immer wieder angesprochen. Nervosität wird unter Golfern tendenziell als etwas Negatives wahrgenommen. In unserem Artikel Nie wieder nervös… räumen wir mit einigen Vorurteilen auf und zeigen Ihnen weitere Strategien und Tipps, um den Umgang damit zu erleichtern und den Ball am ersten Abschlag letztendlich souverän aufs Fairway zu schlagen.