Als Freddy sich um ein Golfstipendium in den USA bewarb, war er sehr auf sein HCP fokussiert.
Die Idee:
Je besser das Handicap, desto größer auch die Chancen bei verschiedenen College Coaches.
Wahrscheinlich kannst Du Dir die Verwunderung vorstellen, die entstand, als er seine Mitbewohner das erste Mal nach deren Handicap fragte.
Mein HCP? Puuh, 1 oder 0…ich bin mir gerade nicht so sicher.
Wie Du bist Dir nicht sicher?
Letztes Jahr hatte ich einen Rundendurchschnitt von 72,6. Das HCP zählt bei uns nicht wirklich.
Oh wow!
Nicht nur war das HCP-System in den USA zu dieser Zeit ein völlig anderes, als in Deutschland. Es war gleichzeitig völlig irrelevant. Was zählte war: Kannst Du auf schwierigen Plätzen tiefe Runden spielen? Behältst Du die Nerven, wenn es am Ende spannend wird? Und bist Du bereit, Tag ein Tag aus an Deinem Spiel zu arbeiten und besser zu werden?
Wer sich ausschließlich auf das eigene HCP konzentriert, tendiert vielleicht dazu, einfachere Plätze zu spielen. Unterm Strich ging es Freddy jedoch nicht darum, mittwochs beim Herrengolf zu gewinnen. Es ging darum, gute Leistungen auf allen Plätze abzurufen.
Wir können Dir nur ans Herz legen, die gleiche Priorität zu setzen. Doch dazu musst Du langfristig denken und eine Trainingseinheit im Oktober gleich behandeln, wie eine kurz vor der Clubmeisterschaft. Und Du solltest Dein Spiel zunächst analysieren bevor Du irgend eine technische Änderung vornimmst.
Das Problem mit Trainingsabschnitten in Golfmagazinen
Früher gab es in Magazinen einen Trainingsabschnitt, in der man meist eine Schwungaufnahme von einem bekannten Pro finden konnte. Darunter wurde in kurzen Sätzen — oft nicht mehr als eine Bildunterschrift — erklärt, wie dieser Profi schwingt, warum das gut ist und warum man das so kopieren sollte.
Da keiner dieser „Artikel“ jedoch ausreichend in die Tiefe ging, blieb das Spielverständnis auf der Strecke. Doch genau das brauchen wir, wenn wir besser werden wollen. Natürlich müssen wir den Schwung nicht in jedes noch so kleine Detail herunter brechen. (Was Dein Daumen im Abschwung macht, ist irrelevant — und dazu bewusst auch gar nicht beeinflussbar.)
Wir sollten jedoch eine Idee davon haben, warum unser Ball kurvt, wenn er das tut. Warum wir den Ball treffen, wie wir ihn treffen und warum unser Ball in die Richtung startet, in die er startet.
Nur so können wir auch eine entsprechende Lösung finden.
Wer auf Antworten hoffend zum Trainer marschiert und dort nur zuhört, statt aktiv zu (hinter-) fragen, wird kurzfristig vielleicht besser. Der Trainer freut sich, weil Du immer wieder kommst und für die Trainerstunde zahlst.
Das Ziel ist nicht, den Trainer zu ersetzen. Das Ziel ist es, nicht auf den Trainer angewiesen zu sein.
Denn auf dem Platz sind wir auf uns alleine gestellt. Auch auf der Range werden wir nicht immer von unserem Trainer begleitet. Dort sollten wir das Verständnis haben, das wir brauchen, um Lösungen zu finden und diese anzuwenden. Das geht nur, wenn wir in der Lage sind, unser Spiel korrekt zu analysieren. Nicht, wenn wir etwas tun, was ein bekannter Profi macht — oder weil ein Magazin uns erzählt, was ein bekannter Profi macht.
Das lustige an den damaligen Magazin-Artikeln war: In der einen Ausgabe wurde ein Spieler für einen bestimmten Abschnitt seines Schwungs gelobt. In einer anderen Ausgabe wurde das exakte Gegenteil bei einem anderen Spieler gelobt.
In der einen Ausgabe ist Sergio Garcias starke Hüftdrehung der Schlüssel. In einer anderen Ausgabe ist Luke Donalds geringe Hüftdrehung das, was ihn 2011/2012 so stark machte.
Wie kann das sein?
Wir haben selbst einige Jahre für große deutsche Golfmagazine geschrieben und konnten dabei ein bisschen hinter die Kulissen blicken. Wer dort arbeitet, spielt meist kein einstelliges Handicap. Veröffentlicht wird, was eingereicht wird. Nur ab und zu wird eine Überschrift eingefügt oder verändert.
Hinzu kommt ein Geschäftsmodell, wobei Leser und Leserinnen allerhöchstens an zweiter Stelle stehen. Werbung ist heutzutage der dominanteste (und der einfachste) Weg, online Geld zu verdienen. Je mehr veröffentlicht wird, desto mehr Impressionen und Klicks erhält die Werbung. Je mehr Klicks, desto mehr Umsatz.
Doch es gibt einen weiteren Grund, warum Schwunganalysen von Weltklasse-Profis oft einen widersprüchlichen Eindruck machen:
Was für Spieler A funktioniert, funktioniert noch lange nicht für Spieler B
Ein bekanntes Beispiel ist Dustin Johnson:
DJ überstreckt sein Handgelenk im Totpunkt (Ende des Rückschwungs).
Quelle: Golf.com
Im Abschwung braucht er eine Menge Hüftrotation, um das auszugleichen. Die hat er. Hätte er die nicht, würde die Schlagfläche sehr offen an den Ball kommen.
Quelle: golfchannel.com
Ein weiteres, beliebtes Beispiel: Ben Hogan.
Ben Hogan war jemand, der seine Hüfte im Abschwung nicht nur gedreht, sondern sein Gewicht dabei aktiv verlagert und seine Hüfte nach links geschoben hat. Das hat für Hogan funktioniert.
Quelle: youtube.com
Für jemanden, der allerdings extrem von außen an den Ball kommt, funktioniert das ganz und gar nicht. Wer von außen kommt — man könnte auch sagen, wer den Schläger von rechts nach links durch den Ball schwingt — und die Hüfte schiebt, wie Hogan, unterstützt die eigene Tendenz sogar noch mehr.
Der Schläger schwingt so noch mehr von rechts nach links, der Winkel mit dem der Schläger an den Ball kommt, wird steiler, der Slice verstärkt sich sehr wahrscheinlich — je nachdem, was die Schlagfläche macht.
Der Golfschwung ist nicht schwarz oder weiß
Du siehst, der Golfschwung ist nicht schwarz oder weiß. Viele glauben, dass eine Bewegung, die Ben Hogan — einen der besten, der je einen Schläger schwang — erfolgreich machte, nicht so schlecht sein kann. Und, dass es sich lohnt, eine solche Bewegung zu kopieren.
Ganz so einfach ist es, bezogen auf den Golfschwung, dann allerdings doch nicht. Denn der Golfschwung ist eine Bewegungskette. Wenn wir an einer Stelle etwas verändern, verändern wir zwangsläufig auch viele andere Parameter. Genau deshalb kann der Reporter, der im Schwung von einem Profi die eine Sache lobt, bei einem anderen Pro genau das Gegenteil loben. Und genau deshalb sind wir keine Fans von solchen Artikeln, die es in Deutschland mittlerweile zum Glück nicht mehr so häufig gibt.
Einen Profi-Schwung zu analysieren, kann unterhaltsam sein, bringt Amateure jedoch nur begrenzt weiter. Alle Jungs und Mädels auf der Tour machen ihre Sache gut. Alle auf der Tour haben etwas gefunden, das für sie, ihre Kraft und ihren Körperbau optimal funktioniert. Doch damit die eine Sache funktioniert, muss eben auch alles andere stimmen. Dustin Johnsons Handgelenksposition funktioniert nur, weil er den Schläger greift, wie er ihn greift. Weil er die Hüfte so dreht, wie er sie dreht. Und weil er die Arme so bewegt, wie er sie bewegt.
Hoffentlich siehst Du, dass es keine gute Idee ist, Profis ohne Kontext zu kopieren. Vielleicht fragst Du Dich jetzt allerdings auch:
„Moment mal, wenn Schwünge so unterschiedlich sind und für jeden etwas anderes funktioniert, warum sitze ich dann hier und lese das? Dann kann ich doch einfach mal machen und selber rausfinden, was funktioniert?“
Ganz so ist es dann doch nicht.
Die Schwünge aller guten Spieler und Spielerinnen haben mehrere Gemeinsamkeiten — egal, ob Proette, Profi oder Plus Handicapper.
Wenn Du BelowPar.de schon länger liest, dann wird Dir das folgende Bild bereits begegnet sein.
Auf dem Bild siehst Du Jim Furyk, Tiger Woods und Bryson Dechambeau. Alle drei haben über den Verlauf ihrer Karriere Millionen mit diesem Sport verdient. Und alle drei haben eine komplett unterschiedliche Position im Totpunkt.
Doch alle drei haben auch einige Gemeinsamkeiten:
Sie alle sprechen den Ball gut an. Sie alle greifen den Schläger ordentlich. Sie alle sind gut ausgerichtet. Sie alle drehen ihre Schultern. Sie alle bewegen ihren Schläger auf einer guten Ebene — ja, auch Jim Furyk. Jim Furyks Schläger bewegt sich auf den letzten Zentimetern vor und nach dem Treffmoment auf einer sehr guten Bahn — und letztendlich ist es das, was zählt.
Alle drei schwingen zudem sehr rhythmisch, starten ihren Abschwung mit der Hüfte und haben ein ausbalanciertes Finish. Golf ist in dieser Hinsicht ein bisschen, wie ein Song in den Charts:
Kein Musikstück ist, wie das andere. Doch alle erfolgreichen Musiker innerhalb eines bestimmten Genres haben einige Gemeinsamkeiten. Bestimmte Noten, einen bestimmten Rhythmus, bestimmte Instrumente, die immer wieder zu hören sind. Beim Golf ist das ähnlich.
Auch beim Golf gibt es ein paar Dinge, die wir während des Schwunges richtig machen müssen. Wir nenen diese Dinge Schlüsselpositionen. Bewegen wir unseren Schläger gut durch die Schlüsselpositionen, können wir uns in Bezug auf alles Andere frei ausleben.
Wenn es einen Satz gibt, der diesen Artikel perfekt zusammen fasst, dann ist es dieser: Nichts beim Golf passiert in einem Vakuum.
Veränderst Du die Art und Weise, wie Du den Schläger nach oben schwingst, dann ändert sich nicht nur Dein Aufschwung, sondern auch Dein Totpunkt, Dein Abschwung, Deine Ballkontakte.
Deinen Schwung verbesserst Du nicht, indem Du Profis oder Proetten ohne Kontext kopierst. Auch nicht, indem Du Dir „einfach nur“ sagen lässt, was Du tun sollst.
Voraussetzung für einen guten, aber trotzdem individuellen, Golfschwung ist Verständnis. Nur wer weiß, warum der eigene Ball macht, was er macht, kann an der richtigen Stelle ansetzen.
Startpunkt dafür ist immer der Treffmoment. Der Treffmoment ist der Moment der Wahrheit. Es ist das Einzige, was den Golfball interessiert. Wer verstanden hat, welcher Treffmoment zu welchem Ergebnis führt, ist in der Lage, den eigenen Schwung korrekt zu analysieren — und eventuelle Änderungen schnell in die Wege zu leiten.
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