Die folgenden Zeilen stammen von Martin Schütt.
Martin Schütt ist Sport Mental Trainer mit dem Schwerpunkt Golf. Seinen Schülern hilft er in erster Linie in Einzel- oder Gruppencoachings und seit Kurzem auch durch sein neues Buch „Der kleine Golfmentalcoach — Ein Weg, um im Golfsport zu werden, was Sie sein wollen.“
Der folgende Artikel ist ein gekürzter Auszug daraus und handelt von zwei Aspekten, über die jeder ambitionierte Golfer nachdenken sollte: Den Umgang mit Fehlern und Misserfolgen.
Golf ist kein Spiel der Perfektion. Eine gelungene Runde Golf zeichnet sich meist nicht durch drei, vier großartige Schläge aus, sondern vielmehr durch eine Vielzahl an Schlägen, die einzeln betrachtet nicht immer Weltklasse waren, in der Gesamtheit jedoch gut funktionierten.
Wer besser werden will, muss diese Dynamik verstehen und über „mein Putten war heute nichts“-Analysen hinausgehen. Wie das geht und welche Einstellung uns dabei zu Gute kommt — das und mehr verrät Dir Martin Schütt im folgenden Beitrag. Mehr zum neuen Buch, der kleine Golfmentalcoach, findest Du hinter diesem Link. Viel Spaß!
Golf mental: Fehlerkompetenz und Misserfolge
Ehrlichkeit und vor allem eine realistische Beurteilung seines eigenen Könnens gehört zum mentalen Golftraining unbedingt dazu. Was ist Ihnen gut gelungen, wo haben Sie Schwächen und welche Fehler oder Misserfolge schleichen sich immer wieder ein?
Zunächst ist es wichtig, zwischen Misserfolg und Fehlern klar zu unterscheiden, denn das eine darf man nicht mit dem anderen gleichsetzen. Diesen Unterschied zu erkennen, wird Ihnen helfen, sich als Golfer besser einzuschätzen und in den kommenden Spielen und Trainingseinheiten gezielter vorzugehen.
Wenden wir uns zunächst der Kategorie Fehler zu, die sich in zwei Unterkategorien aufteilen lässt:
- Denkfehler und
- Handlungsfehler
Ein Denkfehler ist nichts anderes als ein Irrtum.
Im Prinzip machen Sie alles richtig, aber weil Sie einen bestimmten Umstand nicht kennen oder falsch einschätzen, läuft es nicht so, wie Sie es sich vorgestellt haben und werden vom Ergebnis überrascht.
Beispielsweise dann, wenn Sie fälschlicherweise annehmen, dass ein Golfball immer gleich weit fliegt, egal wie hoch oder niedrig die Außentemperatur ist. Das ist natürlich nicht der Fall: Spiele ich im Sommer bei 28 Grad Lufttemperatur meinen Ball mit meinem Eisen 7 circa 120 Meter weit, erreiche ich diese Entfernung nicht, wenn es über Nacht einen Temperatursturz auf 15 Grad gegeben hat.
Gleicher Spieler, gleiches Setting – und trotzdem wird mein Ball bei niedrigeren Außentemperaturen wegen des geringeren Wärmeauftriebs 1 bis 2 Eisenlängen kürzer fliegen.
Im Gegensatz zu einem Denkfehler begehen Sie einen Handlungsfehler, wenn Sie eine Bewegung nicht korrekt ausführen und deshalb ein anderes Ergebnis als beabsichtigt erzielen.
Einfaches Beispiel: Sie schlagen einen Socket, weil Sie mit Ihrem Wedge ausholen, von außen kommen und mit geöffnetem Schlägerblatt den Ball treffen.
Ein Misserfolg ist dagegen eine Handlung, die nicht das gewünschte oder erhoffte Ergebnis gebracht hat, obwohl dies in unserer Erfolgskompetenz lag.
Kleines Beispiel: Sie planen seinen 1-Meter-Putt, messen die Entfernung, schätzen das Break auf dem Weg zum Loch richtig ein, führen Ihre Routine durch und treffen den Ball auch mit dem idealen Schwung für diese Entfernung.
Der Golfball rollt auf das Loch zu, biegt aber einen Zentimeter davor plötzlich nach rechts ab. Sie ärgern sich und sind außerdem ziemlich verblüfft, denn für das seltsame Manöver Ihres Balls gibt es (vorerst) keinen erkennbaren Grund.
Es gibt aber einen, nur konnten Sie den nicht erahnen: Ihr vorheriger Flight hatte sich mit seinem Putter am Lochrand abgestützt, als er seinen Ball mit der Hand aus dem Loch geangelt hat, und hat dabei die kaum wahrnehmbare Senke hinterlassen, an der Ihr Ball gestrauchelt ist.
Aber weil niemand mit einer Wasserwaage vor jedem Loch nachmisst, ob der Weg hinein auch wirklich plan ist, möchte ich diese Situation der Kategorie Misserfolg zuordnen.Wer alles getan hat, was nötig ist, um den maximalen Erfolg sicherzustellen, weder einen Denk- noch einen Handlungsfehler eingebaut hat, und trotzdem nicht das Ergebnis erreicht, das er vorbereitet hat, erleidet einen Misserfolg. Die richtige Einschätzung, ob es ein Fehler war oder ein Misserfolg, ist am Ende einer Golf- oder Trainingsrunde maßgeblich für Ihr Selbstbild über Ihre Fähig- und Fertigkeiten.
Wer sich beim Golf verbessern will, sollte…
Wenn Sie sich im Golf verbessern wollen, dann sollten Sie Misserfolgen oder Fehlern nicht sofort das Etikett „bahnbrechendes Versagen“ geben. Hören Sie auf, sich zu ärgern oder sogar zu schämen, sondern nutzen Sie Ihre Erfahrungen – besonders die schlechten –, analysieren Sie das „Warum“ und versuchen Sie es neu mit einer anderen Strategie. Denn durch Ihre Fehler und Misserfolge erhalten Sie eine wichtige Information:
Sie wissen jetzt, dass es so nicht funktioniert. Das ist ein Hinweis, dessen Wert Sie nicht unterschätzen sollten, denn Sie erhalten dadurch die Möglichkeit, eine andere Variante auszuprobieren, und zwar so lange, bis es funktioniert.
Ob Sie ein hohes, mittleres oder einstelliges HCP haben, in jeder Leistungsklasse wird es zu Fehlern und Misserfolgen kommen. Es liegt an Ihnen, wie Sie damit umgehen und daraus lernen wollen. Verstehen Sie Fehler als einen Entdeckungsprozess, denn wer sich als Spieler nicht mit seinem Scheitern auseinandersetzt, wird erheblich mehr Mühe haben als andere und viel langsamer vorankommen.
Wenn es Ihnen gelingt, sich eine positive Fehlerkultur zuzulegen, werden Sie jeder „Golfer-Hölle“ spielend begegnen. Nicht von heute auf morgen, denn ohne Übung lässt sich ein jahrelanges zwiespältiges Verhältnis gegenüber Fehlern und Misserfolgen nicht ablegen.
Doch wenn Sie das ehrliche Bestreben haben und am Ball bleiben, wenn Sie geduldig Ihre neue Fehlerkultur üben und bereit sind, neu zu denken und alte Einstellungen über Bord zu werfen, wird es Ihnen gelingen. Das alles freiwillig und mit Freude. Denn Sie golfen freiwillig und niemand zwingt Sie dazu, oder?
Einen besonderen Hinweis möchte ich an dieser Stelle für jene geben, die sich auf dem Platz kontinuierlich selbst beschimpfen und schlecht machen. Es gibt Golfspieler, die sich beim Training oder im Spiel selbst die schlimmsten Schimpfwörter an den Kopf werfen und ihren negativen Emotionen freien Lauf lassen.
Unser Hirn hält Eigenbeschimpfungen im Zweifelsfall für die Wahrheit
Zwei Anmerkungen dazu: Zum einen stören solche Golfer durch ihre Schimpfkanonaden ihre Flightpartner, die dadurch oft bis zum Fremdschämen unangenehm berührt sind. Aber auch sich selbst tun solche Spieler keinen Gefallen:
Wie wir im vorangegangenen Kapitel gesehen haben, dokumentiert das Unterbewusstsein solche Aussagen ungeprüft und hält sie nach mehrmaliger Wiederholung für „wahr“. Dadurch wird eine negative Gedankenspirale in Gang gesetzt bis der „Selbst-Beschimpfer“ schließlich überzeugt ist, dass er tatsächlich so ein Versager ist, wie er es während des Spiels immer wieder behauptet.
Falls Sie selbst zu diesem Typ Golfspieler gehören, wage ich zu behaupten, dass Sie nie einem anderen Menschen erlauben würden, so mit Ihnen zu sprechen. Wenn das der Fall ist, warum sprechen Sie dann so mit sich selbst? Wissen Sie, was in Ihrem Körper passiert, wenn Sie wütend sind?
Bei Stress – und nichts anderes ist Wut – wird Ihr gesamtes Nervensystem aktiviert und in Ihrem Körper werden massenhaft Stresshormone, beispielsweise Noradrenalin und Cortisol, ausgeschüttet.
Ihr Herz beginnt, fühlbar schneller zu schlagen, die Atemfrequenz erhöht sich und Ihr Blutdruck steigt, denn physiologisch bereitet Ihr Nervensystem Sie auf den „Flucht oder Kampf“ Modus vor.
Dementsprechend spannt sich Ihre Muskulatur an und die Synapsen werden mit elektrischen Informationen überladen und feuern aus allen Rohren.
Je mehr Sie sich selbst beleidigen und Ihren negativen Emotionen freien Lauf lassen, desto stärker fällt die Reaktion Ihres Körpers aus. Was mit Gereiztheit beginnt, steigert sich zum Ärgern, das Schimpfen kommt dazu, bis Sie so wütend sind, dass Ihr Schläger fliegen lernt.
Haben Sie mal versucht, mit einer angespannten Muskulatur locker zu schwingen? Geht nicht? Und genau in so einen Zustand begeben Sie sich freiwillig.
Warum?
Vermeiden Sie beim Golfen unbedingt solche Zustände, wenn Sie gutes Golf spielen wollen! Der negativen Spirale können Sie entkommen, wenn Sie Ihren Fehlern und Misserfolgen einen positiven Raum anbieten und Ihren Blickwinkel auf das, was nicht gelungen ist, verändern. Das geht wie gesagt nicht von heute auf morgen, aber es geht, und zwar mit mentalem Training. Sie werden dort eine eigene Formel für sich finden, wie Sie von Loch zu Loch ruhig bleiben können.
Wenn Sie einen Fehler gemacht oder einen Misserfolg erlitten haben, rufen Sie deshalb bitte nicht laut „Scheiße“ oder „ich Blödmann“, sondern: „Was soll ich jetzt daraus lernen?“