Helden, Legenden, Weltklasse Athleten. Wir haben viele Namen für diejenigen, die die Spitze einer Sportart erklommen haben, regelmäßig Turniere gewinnen und ihr Geld mit etwas verdienen, das für 99.9% aller anderen ein Hobby ist. Wir bewundern Profisportler nicht nur, weil wir uns manchmal wünschen, genauso spielen zu können, wie sie — wir bewundern Profisportler, weil deren Profession eine wunderbare Parallele zum Leben selbst darstellt:
Ein Ziel, eine Menge Hindernisse, Höhen und Tiefen.
Seit kurzem sitzt ein bekanntes und beliebtes Gesicht wieder auf dem Thron des Golfsports. Zum ersten Mal seit 2015 lautet der Name an der Spitze des Official World Golf Rankings „Rory McIlroy“. Damit belohnt er sich für einen positiven Trend, dessen Auslöser eine einzige Trainerstunde mit Brad Faxon gewesen sein könnte.
Faxon galt als einer der besten Putter auf der PGA Tour. Ein Ruf von dem McIlroy 2018 nur träumen konnte. McIlroys Name erschien 2018 nur auf Platz 97 in der Strokes Gained Putting Kategorie. 2019 beendete er das Jahr auf Platz 24. War Faxons Einfluss der Grund? Gut möglich. Denn Gerüchten zufolge soll er mit Faxon vermehrt über Lockerheit — statt technischer Gedanken — beim Putten gesprochen haben.
Nicht viele Profis lassen im Detail durchblicken, woran sie arbeiten und warum. Rory scheint dabei zumindest teilweise eine Ausnahme zu machen. McIlrory spricht offen über seine Bemühungen, sich vor allem mental weiter verbessern zu wollen.
Wir haben — im Zuge seiner Rückkehr an die Weltspitze — alte und neue Interviews durchforstet und einige Tipps und Einblicke herausgefiltert, die uns alle ein bisschen besser machen können.
„Es geht nicht darum, wie ich in einem Turnier spiele“
Wir sprechen immer wieder gerne von sogenannten „Prozess-Zielen“. „Der Prozess“ bezieht sich nicht auf das gewünschte Endziel, sondern auf den Weg zu diesem Ziel. Der Prozess beinhaltet alle Dinge, die wir kontrollieren können und selbst in der Hand halten. Hierzu zählen beispielsweise…
- unsere Körpersprache,
- unsere Selbstgespräche und
- unsere Einstellung.
McIlroys Einstellung hat sich vor den großen Events verändert. Statt sich zu 100% auf den „Career Grand Slam“ zu konzentrieren, behandelt er jedes Turnier gleich. Vor dem Masters 2019 sagte er:
„Ich versuche jedes Turnier gleich zu behandeln. Es sind 72 Löcher, 18 Löcher pro Tag. Das ist nicht anders, als jedes andere Turnier, das wir gespielt haben. Besser zu werden und mein Handwerk zu meistern — das ist ein lebenslanger Weg. Es geht nicht darum, wie ich in einem Turnier spiele.“
„Mein Handwerk zu meistern“. Wow! Wann haben Sie den Golfsport das letzte Mal als Ihr „Handwerk“ angesehen, das Sie im Laufe Ihres Lebens immer weiter verbessern wollen?
Viele Sportler im Allgemeinen sind an kurzfristigen Resultaten interessiert. Der Schwung soll für das Turnier am Wochenende sitzen. Was in ein, zwei oder drei Monaten passiert, ist erst einmal egal. Die Golfindustrie selbst ist eine „Quick-Fix“ Industrie. Schlägermodelle erscheinen fast schon im Monatstakt. An jeder Ecke finden wir den goldenen Tipp, der uns länger, präziser und besser machen soll — und all das so gut wie ohne Aufwand.
Dieser Trend spiegelt sich im Turnierbereich wieder. After-Work 9 Loch oder Kurzplatz- Turniere machen den Sport zwar zugänglicher, die eigene Leistung jedoch auch oft nicht besser.
Aus McIlroys Interview vor dem Masters 2019 können wir alle eine Menge mitnehmen. Die Idee dahinter ist einfach angewendet: Statt auf den vermeintlich „einfacheren“ Nachbarplatz zu fahren, um dort ein Turnier zu spielen, sollten wir uns schwierige Golfplätze und dementsprechende Herausforderungen absichtlich heraussuchen. Wirklich besser werden statt nur auf dem Papier (in Form eines niedrigeren HCPS) besser werden.
„Durchhalten bis sich das Blatt wendet“!
„Du musst durchhalten. Durchhalten, durchhalten, durchhalten bis sich das Blatt für dich wendet.“
Das beste Beispiel hierfür liefert McIlroy selbst. McIlroy eröffnete die British Open 2019 mit einem Quadrouplebogey und beendete die Runde mit einem Triplebogey.
Mit 8 über Par nach Runde 1 war das Wochenende mehr als in Gefahr. Wir persönlich kennen mehrere Spieler, die ein mehrtägiges Turnier nach einer solchen Leistung abbrachen und nach Hause fuhren. Oft nicht einmal mit einer Ausrede. Viele gaben offen zu, dass das HCP geschont werden soll. Schlechte Runden sind frustrierend, keine Frage. Doch die Message, die wir uns danach senden, entscheidet, ob aus einem frustrierenden Ergebnis zwei, drei oder sogar eine ganze Saison wird.
McIlroy kämpfte in Runde 2 der Open um jeden Schlag, spielte 5 Birdies auf den zweiten Neun und notierte eine 65. 14 Schläge besser als am Tag zuvor.
Auch wenn es für den Cut letztendlich nicht reichte. Sich in den Spiegel schauen und sich sagen zu können, dass man alles gegeben hat. Dass man dort weitergemacht hat, wo andere aufgehört hätten — das ist eine Menge wert.
Kalt wie Brooks Koepka
Nach seinem Sieg bei der Tour Championship 2019 meinte McIlroy, dass er sich eine Scheibe von Brooks Koepka abschnitt und sich grundsätzlich gerne mehr wie Koepka verhalten würde. Hochfokussiert und fast schon kalt — in Drucksituationen am Sonntagnachmittag wie am dritten Loch an einem Donnerstag.
In einem Interview mit dem Magazin „Irish Independent“ verriet McIlory, dass er in der Vergangenheit nicht immer ideal mit schwierigen Situationen umging und deshalb immer größeren Gefallen an der alten, griechischen Philosophie des Stoizismus fand.
Ryan Holidays „Das Hindernis ist dein Weg“ und „Dein Ego ist dein Feind“ sind zwei Bücher, die in McIlroys Regal stehen und ihm in jüngster Vergangenheit enorm geholfen haben sollen. „In ‚Das Hindernis ist dein Weg‘ geht es um Herausforderungen und darum, dass man sich mit Herausforderungen anfreunden soll. Ich war nicht immer ein Freund von Herausforderungen“, meinte McIlroy gegenüber Journalist Paul Kimmage.
Herausforderungen sind nicht nur normal und gehören zum Prozess dazu. Herausforderung machen einen großen Teil des Prozesses selbst aus. Es ist leicht, sich auf kurzfristige Resultate zu fokussieren. Doch was kommt nach dem großen Turnier auf das wir monatelang hin fiebern?
Wer McIlorys Modell folgen und sein „Handwerk“ über die Jahre immer weiter meistern will, sollte an einzelnen Trainingseinheiten im Winter genauso viel Gefallen finden, wie an denen vor einem großen Turnier.
Holiday beendet eines seiner Kapitel in „Dein Ego ist dein Feind“ mit den Worten: „Um uns herum gibt es nur Arbeit zu tun und Lektionen zu lernen.“ Kein großes Endziel. Keinen persönlichen Grand-Slam. Holidays Bücher lesen sich vielleicht jedoch gerade deshalb enorm ansprechend. Kein klassisch „westlicher“ Erfolgsratgeber, der uns vorschreibt, inspiriert und motiviert an die Arbeit zu gehen. Methodische Entschlossenheit, statt ein Szenario, das uns allen schon einmal begegnet ist:
Wir lesen, sehen oder hören etwas, werden inspiriert, setzen uns ein großes Ziel und trainieren hochmotiviert, wie der Weltmeister für die nächsten 2 Wochen. Flacht die ursprüngliche Motivation ab, weil wir nicht sofort die Resultate sehen, die wir uns wünschen, fallen wir in alte Muster zurück.
Ein spielerischer und emotionaler Kreislauf mit dem die neue Nr. 1 so schnell nichts mehr zu tun haben will. Wir drücken die Daumen.